Alois Schmitz, der Hundertjährige, der nicht aus dem Fester stieg, um zu verschwinden!
Auf dem Weg zum Geburtstagsempfang erinnerte ich mich an einen Film, den ich noch vor nicht allzulanger Zeit gesehen habe: Der Hundertjährige, der aus dem Fester stieg und verschwand. Eine skurrile Kriminalgeschichte, die damit beginnt, dass vor der offiziell anberaumten Feier seines 100. Geburtstags Allan Karlsson aus seinem Zimmer im Altersheim floh, um dem Rummel um seine Person zu entkommen.
Ich glaubte aber fest daran, Alois Schmitz bei seinem 100. Geburtstag anzutreffen. Er lebte auch nicht im Altersheim, sondern noch völlig autark mit Ehefrau Elli in ihrem Häuschen am Treppkesweg in Kleve. Gefeiert wurde im Restaurant "Am Aussichtsturm". Der Parkplatz war bereits von Gratulanten gefüllt, die auf den Glockenschlag 11 Uhr warteten. Kurz entschlossen betrat ich etwas früher das Lokal in der Hoffnung, dem Gedränge zu entgehen und etwas mehr Zeit für ein Gespräch mit dem "Geburtstagskind" zu bekommen, das fast seine gesamte Dienstzeit beim Finanzamt Krefeld verbracht hatte. Ich stellte mich vor und gratulierte artig. "Hat sie der Vorsteher geschickt?" war seine forsche Frage. Nein, mich hatte der Vorsteher natürlich nicht geschickt, sondern die DSTG, um ihrem ältesten Mitglied im Bezirk Rheinland herzlich zu gratulieren. Aber der Vorsteher hatte bereits schriftlich gratuliert, so wie das LBV und die OFD, was Alois Schmitz zufrieden zur Kenntnis genommen hatte.
1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, trat er 1946 als Angestellter in die Finanzverwaltung beim Finanzamt Neuss ein. Er konnte sich noch gut an den Vorsteher Dr. Dyker, Rittmeister a. D., erinnern; ein Ekel, wie er nebenbei bemerkte. 1950 begann er beim Finanzamt Krefeld die Ausbildung für den mittleren Dienst. Nach einem intensiven Arbeitsleben ging er 1982 als Amtsinspektor Z in den "wohlverdienten Ruhestand".
Ich erinnerte mich, Alois Schmitz als Beamtenvertreter im örtlichen Personalrat und im Hauptpersonalrat beim Finanzministerium kennengelernt zu haben. Erstaunlich, wie gut er sich noch an Personen und Ereignisse erinnern konnte. Mit Werner Hagedorn, seinerzeit Mitglied im Bezirkspersonalrat Düsseldorf und später Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes, war er lange Zeit freundschaftlich verbunden.
Nach mir füllte sich das Restaurant mit vielen namhaften Gratulanten aus Verwaltung, Kirche, Politik, Kreisjägerschaft und Vereinen. Der Gesangsverein MGV "Eintracht" 1919 Materborn, brachte seinem noch aktiven Mitglied ein Ständchen, so wie bereits vor einigen Monaten, als Alois Schmitz mit seiner auch sehr rüstigen 95jähigen Ehefrau die Kronjuwelenhochzeit feierte. Ab und zu singt er immer noch im Chor mit, wie er mir bestätigte. Nach den offiziellen Ehrungen ließ er es sich nicht nehmen, von Tisch zu Tisch zu gehen, um mit den Gästen ein Pläuschchen zu halten, zeitweise in "Kleverländisch", einer Mundart, bei der ich wenig verstanden habe.
Von einem Tischnachbarn erfuhr ich, dass der Sohn Bruno - eine bekannte Persönlichkeit im Klever Kulturleben, der sich auch gerne mal mit der Obrigkeit anlegt - Mitbegründer der Kölner Stunksitzung ist, einer alternativen kabarettistischen Sitzung im Kölner Karneval. Dort ist er auch immer noch aktiv. Es ist schon sehr interessant, wen man bei einem hundertsten Geburtstag so antrifft. Als ich mich später beim Ehepaar Schmitz verabschiedete, wünschte ich beiden noch viele gesunde Jahre.
Auf dem Nachhauseweg stellte ich mir die Frage, ob ich auch 100 Jahre alt werden möchte? Natürlich, aber nur, wenn ich so fit und gesund bleibe wie Alois Schmitz.